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Vor einiger Zeit besuchte ich mal wieder einen Workshop zum Thema Abenteuerdesign. Ich gucke mir sowas immer gern an, man weiß ja nie, ob man nicht etwas Neues lernt. In diesem Fall war das leider nicht so.

Als ich den Workshop nachträglich reflektierte, wurde mir aber etwas bewusst, über das ich mir bis dahin keine Gedanken gemacht hatte (insofern habe ich indirekt doch etwas gelernt): Ich mag die Szene als Grundeinheit bei der Abenteuergestaltung nicht mehr.

Szenen funktionieren als Begriff erst einmal sehr gut und erfüllen einen wichtigen Zweck. Erklärt man neuen Abenteuerdesignerinnen und -designern, wie sie ein Szenario entwickeln sollen, ist die Szene zunächst ein wichtiges Element. Was eine Szene prinzipiell ist, dürfte bekannt sein, und man kann einen Bezug dazu in einem Abenteuer aufbauen. Erklären wir also, dass ein Abenteuer aus Szenen besteht, die sich mehr oder weniger komplex aneinanderreihen, gibt das schon einmal einen guten ersten Eindruck.

Der Begriff Szene bringt aber auch eine Menge Ballast mit sich. Szenen in Filmen sind immer mit Handlung verbunden und so wird auch unsere Vorstellung von Szenen geprägt. Wir verknüpfen den Begriff mit einer Handlung: „Und dann kommen die SC an Ort X und dort passiert Y.“ Eine Hausruine mit Fallen und einer darin hausenden Räuberbande ist für die meisten keine Szene, sondern ein Ort. Eine Szene bedeutet also Plot und ein festgelegter Plot bedeutet, dass die SL zumindest grob weiß, was passieren wird. Szenen können sich leicht „eng“ und eingleisig anfühlen. Wo bleibt da der Einfluss der Spielgruppe? Wo die Handlungsfreiheit?

Spätestens bei der Verknüpfung der Szenen wird es kompliziert, Railroading zu vermeiden. Wir haben eine Vorstellung, was geschehen wird. Für die Übergänge müssen wir möglichst mehrere Optionen planen, wenn wir Handlungsfreiheit erzeugen wollen. Werden es aber zu viele, verzweigt sich der Plot zu sehr und wir kommen mit dem Planen nicht mehr hinterher. Übergänge und Verzweigungen zu planen, gehört selbstverständlich in jedes Abenteuer, aber die Szene ist als Einheit zu klein. Dass sie fast zwangsläufig Handlung beinhaltet, macht es nicht einfacher. Wir benötigen zu viele davon, um ein Abenteuer komplett verzweigt vorzubereiten.

Nun bin ich jemand, der das gradlinige Abenteuer gern verteidigt. Es gibt Möglichkeiten, so etwas gut zu machen. Das wirft die Frage auf, ob ich mir mit meiner Abneigung gegen die Szene nicht selbst widerspreche. Ich denke nicht. Ich will die Szene als Abenteuereinheit nicht generell als schlecht oder falsch hinstellen. Allerdings ist sie für viele die einzig existierende Abenteuereinheit, was daran liegt, wie Abenteuerdesign beigebracht wird. Denkt man erst einmal in Szenen, ist es schwer, sich das wieder abzugewöhnen. Und Szenen führen häufig zu Railroading. Ich würde vorschlagen, mit den Erklärungen bei anderen Designs zu beginnen.

Es gibt viele Möglichkeiten, Abenteuer anders zu designen. Eine besonders griffige und einprägsame Möglichkeit erklärt meiner Meinung nach der Blogpost „Don’t Prep Plots [Prep Situations]“ von Justin Alexander. Er möchte, dass wir keinen Plot vorbereiten, sondern Situationen schaffen, in denen die Gruppe frei agieren kann. Meist läuft es darauf hinaus, dass man einen Ort entwirft, anstatt einer Handlung. Die Gruppe muss nicht „die Schurken verfolgen, die vom Tatort fliehen, und dann in einem leerstehenden Haus in einen Hinterhalt legen“. Stattdessen legt die Spielleitung fest, wie die Tat, die die Schurken begangen haben, genau aussieht und wohin sie nach ihrer Tat flüchten. Sie erstellt mehrere Hinweise, die in Richtung des leeren Hauses führen (Zeugen, Spuren im Matsch und die Möglichkeit der Verfolgungsjagd) und beschreibt das Haus als Quartier der Schurken und welche Fallen sie dort aufgestellt haben, um nicht überrascht zu werden.

Theoretisch haben wir auch hier Szenen (Tatort und Haus) und eine Art Handlung. Doch was ist mit dem Übergang? Da wir nicht wissen, was die Gruppe machen wird, können wir auch keine einzelne Szene festlegen. Zeugen befragen, Verfolgungsjagd, Spuren verfolgen … das wären schon drei Szenen. Und alles, was mit dem Haus zu tun hat, kann ebenfalls zu mehreren Szenen werden. Die Gruppe könnte es erst einmal ausspionieren oder einfach direkt hineinstürmen. Sie kann durch die Tür eindringen oder eines der Fenster … „Wenn die Gruppe das Haus betritt, greifen die Schurken an“ ist Handlung. Wenn wir wissen, wie das Haus gesichert ist, wo sich die Schurken normalerweise aufhalten und wie sie auf Gefahr reagieren (Flucht oder Angriff?), haben wir Handlungsfreiheit.

Am Ende bleibt zu sagen, dass es natürlich genug Abenteuer gibt, die am besten in Szenen aufgeteilt werden. Ob man Szenen generell als die „Atome des Abenteuerdesigns“ betrachten sollte, halte ich allerdings für fragwürdig.

Andreas Melhorn

Übrigens: Andreas Buch Abenteuer gestalten kann derzeit wieder vorbestellt werden.

1 Comments

  1. Olli sagt:

    Sehr interessanter Beitrag, der auch darüber hinaus einlädt einmal die eigenen SL konventionen zu hinterfragen.

    Bei der Abenteuergestalung in Szenen zu denken halte ich auch für suboptimal.

    Witzigerweise bin ich mit der Technik in Szenen zu denken gar nicht Bein Thema Abenteuer vorbereiten in Berührung gekommen sondern beim Thema Leiten.

    Es hilft aktiv beim Spielen in Szenen zu denken und der Szene gedanklich eine dramatische Frage zu stellen. “Werden die Helden Ziel X schaffen oder scheitern.” das hilft sich schnell herauszufinden wann eine Szene ihre Aufgabe erfüllt hat, nämlich ob die dramatische Frage beantwortet wurde.

    Dann geht’s zur nächsten Szene mit neuer Frage, wobei natürlich auch mal ruhige Szenen kommen können wo die Frage einfach sein kann “haben die Helden am Lagerfeuer einen schönen Gruppenstärkenden Moment gehabt”?

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