Eine Zeiten-Wende im Rollenspiel?

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„Wir haben über drei Stunden Kerker und Drachen gespielt. Dann wurde ich von einem Kobold erschlagen.“
– Homer Simpson

Früher, man erinnert sich gern, gab es noch diese epischen Treffen, bei denen alle am Tisch die Zeit vergaßen und bis tief in die Nacht spielten. Und nun? Mit viel Mühe schafft man es, die Gruppe für wenige Stündchen am knapp bemessenen Feierabend zusammenzubekommen.

Wem das bekannt vorkommt, der muss sich wohl nicht ganz zu Unrecht Nostalgie für die vermeintlich unbeschwerten Jugend vorwerfen lassen. Aber es steckt doch noch mehr dahinter: Rollenspielrunden werden tatsächlich kürzer.

In diversen Beiträgen und Umfragen, die sich auf einschlägigen Internetplattformen finden lassen, dominiert durchaus noch die Con-übliche Rundendauer von drei bis fünf Stunden. An ihre Seite ist aber eine bedeutende Menge von Runden getreten, die standardmäßig nur zwei bis drei Stunden dauern.

Die Ursache dafür liegt nicht (nur?) in steigendem Alter der Spielrunden, gesunkener Aufmerksamkeitsspanne oder Konkurrenz mit Videospielen und Netflix. Schuld ist – mal wieder – Corona! Oder besser gesagt die spätestens seit der Pandemie zum Normalzustand des Hobbies gehörenden Online-Runden.

Nun bieten Online-Runden einige Vorteile; ihre Nachteile sind aber ebenfalls bekannt: Irgendetwas an der Interaktion über Bildschirme und Headsets ist schlicht kraftraubender als das unbeschwerte Durcheinanderreden am Tisch. Nach zwei bis drei Stunden ist die Luft raus und die Konzentration lässt nach. Zumindest im Online-Spiel geht der Trend also zum „RPG-Snack“.

Spannend ist die Frage, wie dieser neue Appetit die Rollenspiel-Landschaft verändern wird. In Zukunft werden wir wohl mehr Spiele sehen, die darauf ausgelegt sind, auch in kürzeren Sitzungen befriedigende Plots zu durchleben. Knackige OSR-Systeme oder auf Missionen heruntergekürzte Spiele wie Blades in the Dark werden dabei nur die Spitze des Eisbergs sein.

Stefan Droste

6 Comments

  1. Rollengeiger sagt:

    Nein! Mit meinen zarten 47 (der Freundeskreis ähnlich) gibt es eine Runde, bei welcher wir am Samstag um 15:30 beginnen und bis so 01:00/ 02:00 spielen – und das vierteljährlich und mit Freigabe der Familie 😉 – natürlich mit DCC als Kampagne und dieses Wochenende wegen Ausfall eines Spielers alternativ S&W mit dem Abenteuer Winternacht von Gazerpress als One-Shot 🤘🏼

    • Daniel sagt:

      Beneidenswert. Wirklich beneidenswert. Ich habe über die Jahre gemerkt, was das Hobby für ein Riesen-Commitment ist. Als Studi: 8 Stunden Sitzungen der Standard. Wenn wir jetzt alle 2 Wochen uns für 2 1/2 Stunden Online treffen, ist das schon echt viel. Alle haben Familie & Job und da alle regelmäßig zusammenzubringen ist schwierig geworden. Ich hab vor allen Dingen auch gemerkt, dass ich bei den Spielsystemen und den Abenteuern darauf achte, wie schnell man ins Spiel kommt. Zeit ist richtig wertvoll für uns geworden, da will ich meine Zeit nicht mit Buchhaltung auf dem Charakterbogen, Blättern im Regelwerk oder langer Exposition bei den Abenteuern verbringen. Das hat früher alles Spaß gemacht, als man Zeit im Überfluss hatte. Jetzt muss es am Spielabend innerhalb weniger Augenblicke rocken, gerade weil die Spielrunde wegen anderer Verpflichtungen auch schnell wieder auseinanderbrechen kann. Wenn in diesen 2 Stunden nix passiert, dann hab ich als SL was falsch gemacht. Gar nicht erst auf lang laufende Kampagnen schielen und die “Händler heuert euch an um seinen Wagenzug zu beschützen – Geschichten” gleich weglegen. Eben “Run your best game tonight” (Harley Stroh). Wir spielen DCC oder OSR Abenteuer mit den Dungeon World Regeln. Für uns ein match made in heaven.

      • Sascha sagt:

        Moin,
        wir haben eine wöchentliche Roll20 Gruppe mit 7-8 Spielern. Für 2 Stunden. Damit haben wir epische Kampagnen gespielt, wie Odysse of the Dragonlords, Ravenloft und gerade aktuell das Schreckensgewölbe (PF2). Das läuft absolut reibungslos.
        Zusätzlich haben wir eine Tischrunde Chronicles of Darkness. Allerdings habe ich immer die Tischrundenzeit begrenzt auf 4 Stunden. Die Runden die eine längere Spielzeit hatten, von wir spielen das ganze Wochenende oder 12 Stunden oder so, waren immer von viel Leerlauf geprägt. Effektiv passierte da ganz viel Rollenspiel Nichts. Es wurde halt sozialisiert, alte Freunde und Bekannte trafen sich und quatschten. Die Aufmekrsamkeitsspanne von den meisten ist auch nach 4 Stunden erschöpft, meistens schon viel früher. Die lange Spielzeit war auch immer mit Essen verbunden und sobald der Magen voll war, wurde verdaut. Da merkte man gleich wie die Aufmekrsamkeit massiv nachließ.
        Lieber kurz und knackig, als lang und langweilig.

    • Ninifee sagt:

      Hallo, bei uns läuft das ähnlich. Wir spielen seit über 30 Jahren haben damals mit DSA und Midgard angefangen und unsere Runden spielen im Schnitt 6 stunden alle 14 Tage. Zwei bis dreimal im Jahr fahren wir als Gruppe in einem Kurzurlaub und machen dann so genannte Rollenspiel Wochenenden. Der längste Urlaub war mal zehn Tage. Natürlich haben wir auch das Glück, dass unsere Partner größtenteils mitspielen und selbst unsere Kinder Spaß daran haben, weil sie sich dann miteinander austoben können ein wahrer Rollenspiel Traum.

    • Ratzfratz sagt:

      Habe zum Release von Frosthaven das erste mal offline dabei sein dürfen. Die bestehende Gruppe hat vorher regelmäßig (2-3*Monat) physisch Gloomhaven gespielt und ist in Zeiten der Kontakt – Beschränkungen auf die online Variante umgestiegen. um die Daten zu tauschen. jetzt hilft das Tablet aber nur noch die Gegner zu simulieren und die Treffen finden ausnahmslos physisch statt.
      eine wahre Freude.
      Fünf Stunden nicht an Mobiltelefon oder andere Süchte zu denken, hab ich sonst selten erlebt.
      schönes neues Hobby und wieder mehr Zeit mit meinen Nerdfreunden verbringen. gut gelaufen.
      danke für das Angebot! Gruß bnach BauGu!

    • Seppel sagt:

      Moin,

      Ja auch bei mir hat sich mit dem Ende des Studiums und durch die Corona Pandemie das Spielverhalten stark gewandelt. Hatte ich zu meinen besten Zeiten drei wöchentliche Runden, von denen ich zwei geleitet habe (DSA 4.1 und SR 4), leite ich nun eine monatliche online Runde (WFRG 4). Mit Warhammer Fantasy 4 spielen wir ein eher komplexeres System, welches sich nicht vor DSA und SR verstecken muss, und doch haben wir einen guten Spielfluss. Ja sogar einen besseren, als früher, als wir in Präsenz gespielt haben. Ich kann es nicht recht erklären, aber wir beobachten das Phänomen, dass sich eine 2-3 stündige Sitzung von der Immersion, der Intensität und wieviel Handlung wir schaffen, wie ein 5-6 stündige Sitzung anfühlt. Ich kann nur vermuten, was die Ursachen dafür sein könnten und es wäre ein Fehlschluss zubehaupten, dass sich dies wegen der online Runde und nicht trotz dieser entwickelt hat. Doch möchte ich behaupten, dass das online Format uns alten Hasen ein Umdenken abverlangt hat. Wir mussten das gemeinsame Spiel erst wieder entdecken. Was unser Spiel anging war buchstäblich Tabula rasa. Der Vorteil war, dass wir lästige und störende Verhaltensweisen ablegen mussten. Wir fallen uns zB sogut wie nie ins Wort, was am Tisch an der Tagesordnung lag. Wir haben uns darauf geeinigt, viel mehr incharacter zu reden, wir beschreiben, was die Charaktere tun und entwickeln dadurch die gemeinsame Geschichte weiter, anstat zu sagen “Ich will eine Wahhrnehmungsprobe machen”. Und wir sind pünktlicher und besser vorbereitet, weil wir wissen, dass jeder wenig Zeit hat und diese 2-3 Stunden im Monat kostbar sind. Früher habe ich durchaus erlebt, dass Spieler:innen Phasen hatten, indenen sie die wöchentliche Runde als lästig empfunden hatten, und wenn eine Person unzuverlässig wird und man als Gruppe nicht dagegen steuert, kann es schnell passieren, dass andere Mitspielende zB die Pünktlichkeit auch eher etwas laxer handhaben.

      Unterm Strich denke ich, ist das online Format eine angenehme Ergänzung zur Runde am Tisch. Nach meiner Erfahrung kann man in 2-3 Stunden genauso intensiv Spielen und ein komplexes Regelwerk steht dem nicht im Weg. Daher fände ich es schade, wenn sich künftige Rollenspielprodukte einer vermeintlichen Onlinespielweise anpassen würden.

      Was ich jedoch nicht bestreiten kann, ist, dass man, wenn man seltener spielt, als Spielleiter ganz anders an die Auswahl des Abenteuers, rangeht. Zur Zeit wird für WFRS 4 die Kampagne der Innere Feind ins deutsche übersetzt und als Sammler und Fan der Alten Welt, kaufe ich selbstverständlich jeden einzelnen Band dieser fünfteiligen Monsterkampagne. Doch weiß ich, dass ich diese nicht in meiner aktuellen Runde leiten kann, da die Kampagne zu umfangreich für eine monatliche Runde ist.
      Als Spielleiter greife ich zur Vorbereitung daher gerne zu einzelnen Abenteuer oder Kompendien. So kann ich Abenteuer so anpassen, dass die einen gemeinsamen Handlungsstrang haben und kann dabei viel felxibler auf die Entscheidungen meiner Spieler eingehen. Ich massschneidere also aus Abenteuern von der Stange eine passgenaue Kampagne für meine Runde. Und das schöne ist, ich kann mir an einem Abend den Überblick über ca 5 Abenteuer verschaffen und eines davon lesen.
      Ich denke, dass sich die Präsentation von Abenteuern immer weiter in Richtung Zugänglichkeit entwicklen wird und begrüsse das sehr.
      Desweiteren vermute ich, dass Abenteuer in Zukunft teuerer werden müssen, denn wenn eine Gruppe nicht länger Abenteuer für 52 Sitzungen im Jahr braucht, sondern nur noch für 12, dann wird die Nachfrage nach Abenteuern zurück gehen, was zu geringeren Auflagen und somit zu höheren per item Produktionskosten führt. Und wenn man die Kosten sowieso erhöhen muss, dann kann man sie auch gleich noch weiter erhöhen, um die Produktqualität zusteigern um dadurch hoffentlich die Akzeptanz der Kund:innen für die Preiserhöhung zu steigern.
      Ich gehe davon aus, dass Deluxe das neue normal wird. Diese Entwickling befürchte ich, da sie meiner Einschätzung nach zu folgende negative Folgen führt; aufgeblähte Produkte, erhöhter Kapitalbedarf bei Verlagsgründungen (Und somit nachlassende Diverstität der Anbieter) und das Rollenspiel sich zu einem Hobby für Wohlhabende entwickeln könnte, da Einkommensschwache die Preis nicht zahlen können.

      Nun habe ich lang und breit meine Gedanken vorgetragen und danke allen, die es bis hierher geschafft haben. Abschließend kann ich nur feststellen, dass online Runden eine willkommene Ergänzung für das Hobby ssein können. Wenn man seine Spielstil anpasst, dann kann man immernoch alle Systeme spielen. Jedoch befürchte ich, dass dern Umsatnd, dass viele uns, immer weniger Zeit für das Hobby haben, schädlich für unser Hobby sein könnte.
      Doch möchte ich nicht zu pessimistisch enden. Rollenspiele haben sich seit den 1970zigern gegen andere Zeitkonkurrenten, wie Computerspiele, behauptet. Und vielleicht wird in den kommenden Jahren ja die 30 Stunden Woche eingeführt. Dann werde ich meiner Runden anbieten, den Inneren Feind für sie zuleiten, aber nur, wenn wir alle zwei Wochen spielen 😀

      Beste Grüße

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