Stefan Droste im Interview bei Obskures.de
10. August 2017Wochenupdate #41
16. August 2017Wenn du Dungeon World übersetzt, würfle+IN.
* Bei einer 10+ wähle zwei aus der folgenden Liste.
* Bei einer 7-9 wähle eines.
* Bei einer 6- muss der Lektor die Sache ausbaden.
- Deine Übersetzung trifft den Sinn des Originals.
- Du findest alle versteckten Andeutungen und Insider-Witze.
- Niemand macht einen RANT über deine Übersetzung.
Die Übersetzung eines fremdsprachigen Werks ist ein beliebter Anstoß zu Kritik – da sind Rollenspiele keine Ausnahme. Warum wurde jener Begriff so und nicht anders übersetzt? Geht der ganze Wortwitz jetzt nicht verloren? Und muss eine Übersetzung wirklich immer irgendwie ‚das Original -1‘ sein? In Zeiten, in denen auf den Bildschirmen die Familie Lennister Königsmund regiert natürlich alles berechtigte Fragen …
Wer sich aber selbst schon einmal an einer Übersetzung versucht hat weiß, wie knifflig der Balanceakt zwischen Sinn, Stil und Inhalt sein kann. Ich will die Gelegenheit der Vorbestellungsaktion daher nutzen, um die zurückliegende Arbeit Revue passieren zu lassen. Beginnen wir unsere Gewölbe-Nähkästchenplauderei bei den …
Grundsatzfragen – Welchen Dungeon hätten’s denn gern?
Den größten Brocken zuerst: Was tun mit dem „Dungeon“? Diesem Kerker oder Gewölbe voller Ungeheuer und Schätze? Um es kurz zu machen, den Begriff „Dungeon“ haben wir als geläufigen szenetypischen Fachbegriff beibehalten, zumal er in Dungeon World als eine Art Chiffre für Abenteuerschauplätze per se dient. Und den Titel des Spiels haben wir schließlich auch nicht übersetzt.
Was den grundlegenden Stil des Spiels angeht, so hat es immer wieder Tendenzen gegeben, Dungeon World mit bunten, vielleicht etwas albernen Illustrationen und Formulierungen abzubilden. Nach Lektüre des Texts haben wir uns aber gegen den Weg der Heiterkeit entschieden und stattdessen versucht, dem rauen und gefahrvollen Abenteurerleben mit einer gewissen Ernsthaftigkeit gerecht zu werden. Es heißt daher z.B. „Wissen kundtun“ und nicht „Klugscheißen“ (sorry @purpletentacle).
Ich bin von Kopf bis Fuß auf Diebe eingestellt!
Zu einer deutschen Lokalisierung gehört unserer Meinung nach auch, dass Eigennamen gegebenenfalls angepasst werden müssen. Fantasysprachen sind kein Problem, aber es sollte auch nicht der Eindruck entstehen, dass in der Dungeon World Englisch gesprochen wird, während die Spieler aber ihre Charaktere aber auf Deutsch vertonen. Wir haben die Namenslisten also nicht nur erweitert, sondern gleich auch überarbeitet. Dabei lief eigentlich alles glatt – nur der Dieb machte uns natürlich einen Strich durch die Rechnung.
Auf dem ursprünglichen Charakterbuch des Diebs werden Namen wie „Mouse“, „Sketch“ oder „Shank“ vorgeschlagen. Zweifellos klangvoll und passend, in einer deutschsprachigen Runde aber doch eher unpassend. Statt einer wörtlichen Übertragung haben wir eine Reihe von ganz neuen Namen gefunden, die ähnlich zwielichtige Assoziationen zulassen. In unserer Dungeon World wird man also auf Diebe treffen, die „Drossel“, „Rochade“ oder „Bankert“ heißen. Und im Gedenken an einen kleinen fiesen Piraten aus Monkey Island 2 gibt es auch einen Halblingsdieb namens „Largo“.
Problemzone Fernkampf
Aber nicht immer kann man so frei Änderungen vornehmen. Der Spielzug „Volley“ etwa, der beim Fernkampf zur Anwendung kommt, hat uns etwas Kopfzerbrechen bereitet. „Salve“ ist natürlich naheliegend, da Spielzüge in Dungeon World aber ins laufende Gespräch eingebaut werden, musste der Name auch in der Verbform funktionieren (wie etwa „Hauen & Stechen“ oder „Verteidigen“). Und da ich persönlich immer sehr unleidlich darauf reagiere, wenn in einer Welt ohne Feuerwaffen Pfeile und Bolzen „abgefeuert“ werden sollen, einigten wir uns schließlich auf „Salve abgeben“.
Auch die Eigenschaften (original: tags), mit denen die fünf Kategorien für Reichweiten im Kampf bezeichnet werden, waren ein Stolperstein in den Englisch-Deutschen Übersetzungsbemühungen. Die aufsteigende Reihung „Hand – Close – Reach – Near – Far“ erwies sich besonders aufgrund des unhandlichen „Reach“ und der Doppelung von „Close/Near“ als Herausforderung. Aufgelöst haben wir das durch die übersichtlichen Wortpaare von „Kurz/Lang“ für den Nahkampf und „Nah/Fern“ für den Fernkampf. „Hand“ bleibt „Hand“. Manchmal macht es einem die Sprachverwandtschaft auch leicht!
Des Übersetzers Lieblings
Nach so viel Kopfzerbrechen wird es zum Ausklang noch einmal Zeit für die Augenblicke, in denen das Herz eines jeden Übersetzers höher schlägt: Wenn man wirklich einmal rundum zufrieden mit gefundenen Begriff ist. Hier meine beiden persönlichen Highlights:
Original: „Goblin Orkaster“. Ein Goblin, der über Zauberkräfte verfügt, die seinen eigenen Horizont weit übersteigen. Das Kunstwort Orkaster könnte sich auf den „ARC caster“ beziehen, einer Waffe aus Star Wars. Eine wörtliche Übertragung ins Deutsche würde aber in jedem Fall schwierig.
Übersetzung: „Goblin-Implodeur“. Zugegebenermaßen eine ziemlich freie Übersetzung, aber sie vereint die sprachliche Eleganz eines Marodeurs mit einer sehr bildlichen Umschreibung seines gefährlichen Handwerks. Und ich musste laut lachen, als mir das Wort eingefallen ist, also ist es im Buch geblieben.
Original: „The Sterling Hand“. Eine starke magische Prothese aus Silber, mit der die Zwerge den Verlust eines Arms oder einer Hand beheben. Ein sehr guter Name, der auf den Edelmetallgehalt abzielt, aber gleichzeitig die hohe Güte der Verarbeitung anzeigt.
Übersetzung: „Die Treuhand“. Der doppeldeutige Verweis auf den Finanzsektor ist da. Darüber hinaus passt der Begriff zu einem magischen Gegenstand, der entweder für treue Pflichterfüllung in den Minen verliehen wird oder der selbst ohne zu wackeln seine Aufgabe als Prothese über Jahrzehnte hinweg erfüllen wird.
Damit aber genug der Selbstbeweihräucherung! Für heute ist erstmal Schluss, aber wir haben noch genug Zeit für eine …
Bonusrunde: Dank und Eastereggs
Wir wären niemals soweit gekommen, hätten nicht viele kluge Köpfe in der Community schon auf eigene Faust angefangen, Dungeon World zu übersetzen. Sie waren so freundlich, uns ihre Vorarbeiten zur Verfügung zu stellen, sodass wir auf einem soliden Fundament aufbauen konnten. Besonders danken möchte ich dabei: Patrice Peterson, Igor Holland-Holland, Christopher Kirch, John-Michael Warkentin, Thorsten Kerkhoff und Adilos Cantürk.
Wie Daniel sagen würde, schüttelt ihnen mal die Hand, wenn ihr sie seht!
Ach ja, und wir beim Übersetzen von Dungeon World insgesamt 7 Magische Gegenstände gefunden, die direkte Anspielungen auf andere Rollenspiele sind. Schaut doch mal nach, ob ihr sie alle finden könnt. Oder ob wir doch noch etwas übersehen haben …
Stefan Droste tippt seit seiner Zeit bei Cthulhus Ruf an allem rum, was ihm der Verlag an Rollenspielen vor die Finger wirft. Aktuell ist er Redakteur und leitender Übersetzer für Dungeon World.
2 Comments
Über Übersetzungen kann man sich trefflich streiten. Wenn man mal bei der Wikipedia nachliest, was genau eine Salve ist, merkt man, dass “Salve abgeben” auch nicht (bzw. meiner Meinung nach noch weniger) passt. Und ich könnte jetzt anführen, dass “schießen” recht einfach funktionieren würde. Das macht man ja auch mit einem Bogen, etc.
Aber das ist von außen so leicht zu sagen und letztendlich ist das alles nicht tragisch. Und “Treuhand”, finde ich, ist eine herausragend gute Übersetzung. Auch, wenn ich DW im englischen Original bereits gelesen hab, werde die deutsche Fassung vermutlich nicht nur als Nachschlagewerk verwenden, sondern auch nach solchen Edelsteinen Ausschau halten.
Ich kann es jedenfalls kaum abwarten, bis ich im Oktober Post von euch kriege und ich finde auch sehr schön, dass ihr hier frei aus dem Nähkästchen plaudert. Macht weiter so!
Bestimmt hat der Übersetzer hier die Sahnestückchen der guten Übersetzung präsentiert und die Schwachstellen gerechtfertigt, aber insgesamt klingt das alles doch durchaus gelungen. Natürlich kann man über den einen oder anderen Begriff streiten, muss man aber nicht.
Bin auf das Endergebnis gespannt!